ETTR steht für Exposure to the right und beschreibt eine Technik sowohl den Dynamikumfang aber auch die Tonwerte in einem Bild zumindest theoretisch zu maximieren.
Einleitung
ETTR als wörtlich übersetzt „Belichte nach Rechts“ beschreibt eine Technik, mit der durch eine leichte Überbelichtung gerade so, dass die hellsten Bildteile nicht ausfressen, die Bildqualität verbessert wird. Die ursprüngliche Idee geht auf einen Artikel in Luminous Landscape im Jahre 2003 zurück. Dabei geht man von der Überlegung aus, dass der Dynamikumfang sich nicht gleichmäßig über alle Belichtungsstufen verteilt, sondern der Sensor bei den hellsten Bildteil noch 4.096 Tonwerte differenzieren kann und die Anzahl der Tonwerte sich von Stufe halbiert.
Belichte ich jetzt leicht über, dann können dunklere Bildteile in die nächste Stufe wandern und damit die Zahl der darstellbaren Tonwerte verdoppeln. Um das zu kontrollieren muss man schon anhand des Histgramms die Verteilung beurteilen, um nicht das Ausfressen der helleren Bildteile zu riskieren. Trotzdem ist hier zur Beurteilung noch einiges an Erfahrung erforderlich, weil das Histogramm, welches die Kamera anzeigt im Regelfall nicht vom RAW sondern vom eingebetteten Thumbnail stammt, wie ich meinem Artikel über die Belichtungsmessung schon gezeigt habe.
Die Bildbearbeitung
Im Regelfall, zumindest mache ich das so, werden im RAW-Konverter die Lichter herunter gezogen und die Schatten aufgehellt. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Auto Funktion im neuen Lightroom CC. Habe ich jetzt ein Bild, dass ca. 1 EV überbelichtet wurde, dann kann ich durch die Korrektur in der Bildbearbeitung die Lichter wieder absenken, aber die dunkleren Töne erhalten (weil keine Aufhellung erforderlich ist) und damit auch die Zahl möglich Tonwertunterschiede. Gleichzeitig erspare ich mir aber durch die nicht erforderliche Aufhellung der Schatten auch mögliches Rauschen.
ETTR funktioniert aber nur, wenn der Kontrastumfang der Szene kleiner als Dynamikumfang des jeweiligen Sensors ist, sonst hat man keine Chance oder muss in Kauf nehmen, dass die hellsten Bildteile keine Details mehr zeigen (können).
Einfach mal ausprobieren
Um den Effekt nun einmal auszuprobieren, habe ich sowohl mit der Canon 5D MK II als auch mit der Lumix G81 verschiedene Szenen abgelichtet, und zwar einmal nach Belichtungsmessung und einmal mit einer Belichtungskorrektur um 1 EV Wert. Für den Vergleich habe ich dann die Normalbelichtung um 1 EV Wert aufgehellt und die überbelichtete Aufnahme mit Lightroom um 1 EV Wert abgedunkelt.
Starten wir mit der 5D und ISO 1600.
Schaut man sich hier volle Auflösung an, dann stellt mehr Detailreichtum in den dunklen Bildteilen fest, und bei der per Lightroom abdedunkelten Aufnahmen auch weniger Rauschen.
Um das Bild jetzt zu vervollständigen habe ich die obige Szene und 2 weitere mit der Lumix G81 mit ISO 3.200 aufgenommen. Zuletzt wurde mit kontrollierten Bedingungen, d.h. mit Videoleuchten die Szene, die auch rote und blaue Bildbereiche aufweist aber mit ISO 6.400 aufgenommen.
Die Ergebnisse
Ich habe hier Aufnahmen, vor allem mit der Lumix G81, unter eigentlich extremen Bedingungen (ISO 6.400) gemacht, und auch bei Vollformat, käme ich nicht auf die Idee, Architektur oder Landschaft mit ISO 1.600 oder mehr aufzunehmen. Allerdings stellen wir ja auch bei Aufnahmen mit ISO 100 z.B. fest, dass je nach Aufnahmesituation z.B. der Himmel selbst bei einer Vollformat Kamera schon leicht rauscht (zumindest in der 100% Ansicht). Außerdem kann ich ja in der Bildbearbeitung mich darauf beschränken die Lichter herunter zu ziehen, ohne die Schatten aufzuhellen. In meinem Vergleich zum Rauschverhalten hatte ich ja schon dargestellt, dass der Abstand zwischen Vollformat->APS-C->mFT ungefähr 1 EV Stufe beträgt.
Indirekt wende ich diese Technik schon an, und zwar bei der DJI Mavic, weil hier bedingt durch den recht kleinen Sensor ein Aufhellen der Schatten sehr enge Grenzen gesetzt sind.
ETTR noch sinnvoll?
Jeder sollte für sich einmal ausprobieren, ob diese Technik etwas bringt. Der Gewinn an etwas mehr Details in relativ gering und die Rauschreduzierung als Nebeneffekt der ETTR ist bei den übliche ISO Werten kaum feststellbar. Z.B. habe ich mit der 5D MK II Vergleichsbilder mit ISO 50 und bei der Lumix G81 mit ISO 100 (also beides Werte die nicht der Nomimalempfindlichkeit des Sensors entsprechen) aufgenommen, und kann den Unterschied kaum ausmachen.
Was sich vielleicht noch lohnen könnte, ist diese Technik bei Video einzusetzen, denn hier filmen wir üblicherweise mit einem JPEG-Format, dass einerseits nicht den Dynamikumfang aufweist. Deshalb werden hier ja üblicherweise auch Formate mit geringem Kontrast eingesetzt, um später mehr Zeichnung in den Schatten zu erhalten.
Wie seht ihr das, eine Technik, die sich auch heute noch lohnt, oder machte ETTR nur vor vielen Jahren Sinn?
ciao tuxoche